Ärztekammer warnt

"Geld allein reicht nicht" – Zwei-Klassen-Medizin droht

Trotz Rekordausgaben schlägt die Wiener Ärztekammer Alarm: Immer weniger Kassenärzte, wachsende Bürokratie und ein Anstieg privater Zahlungen.
Wien Heute
12.06.2025, 16:35

Mit 57 Milliarden Euro Gesundheitsausgaben im Jahr 2024 erreicht Österreich einen historischen Höchststand – ein Plus von acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dennoch wächst die Sorge um die gerechte Verteilung dieser Mittel. Die Wiener Ärztekammer kritisiert: Mehr Geld fließe ins System, komme aber nicht dort an, wo es dringend gebraucht wird.

"Österreich investiert so viel wie nie in seine Gesundheitsversorgung – das ist einerseits ein starkes Signal, andererseits ein Warnruf", sagt Johannes Steinhart, Präsident der Wiener und der Österreichischen Ärztekammer. Er fordert eine Rückbesinnung auf eine "öffentliche, menschliche Medizin: wohnortnah, solidarisch, ärztlich geführt – statt profitorientiert zentralisiert".

Öffentliche Mittel werden weniger

Die Zahlen der Statistik Austria zeigen auch eine weitere Verschiebung in der Finanzierung: Der Anteil öffentlicher Mittel sinkt von 76,7 auf 76,3 Prozent. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung – besonders in Wien. Seit 2012 ist sie um 16 Prozent gestiegen, während die Zahl der Kassenärztinnen und Kassenärzte um elf Prozent gesunken ist.

"Das System steht unter enormem Druck – gerade im niedergelassenen Bereich", warnt Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin der Ärztekammer Wien und selbst Allgemeinmedizinerin in Floridsdorf. Immer mehr Menschen würden auf private Krankenversicherungen ausweichen, weil das Kassensystem weder Terminsicherheit noch moderne Leistungen garantiere. "Wenn der Anteil privater Ausgaben weiter steigt, wird sich die Zwei-Klassen-Medizin verschärfen. Medizinische Qualität darf nicht von der Geldbörse abhängen", warnt sie.

Maßnahmen lassen auf sich warten

Auch aus Sicht der angestellten Ärztinnen und Ärzte ist ein Umdenken notwendig. "Es reicht nicht, nur mehr Geld ins System zu pumpen – wir müssen es auch dort einsetzen, wo es Wirkung zeigt: bei den Menschen, die tagtäglich medizinische Versorgung sicherstellen", sagt Eduardo Maldonado-González, Vizepräsident und Kurienobmann der angestellten Ärzte der Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien. Es sei notwendig, die Menschen so durch das Wiener Gesundheitssystem zu begleiten, dass sie die für sie beste Versorgungseinheit finden – ob im niedergelassenen Bereich, in einer Spitalsambulanz oder im Krankenhaus.

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Kritik kommt auch an der schleppenden Umsetzung angekündigter Maßnahmen im Wiener Gesundheitsverbund. Das sogenannte Zweier-Gehaltspaket, das Arbeitszeit, Entlohnung und Bedingungen verbessern soll, lässt weiter auf sich warten. "Solange diese Maßnahmen fehlen, bleibt die Lücke zwischen Anspruch und Realität bestehen. Wenn wir nicht gezielt gegensteuern, verlieren wir nicht nur Geld – wir verlieren Vertrauen. Wir brauchen mutige Strukturreformen, die Qualität sichern und ärztliches Handeln stärken", so Maldonado-González.

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